FondsDISCOUNT.de: Es gibt mittlerweile eine Vielzahl von Dienstleistern, die Unternehmen und Staaten mit unterschiedlichen Herangehensweisen nach ESG-Kriterien bewerten. Welche Methodik halten Sie für am besten geeignet?


Rupini Deepa Rajagopalan: Es gibt viele Anbieter von ESG-Daten, die mit vielen verschiedenen Methodenarbeiten. Allerdings geben diese ESG-Datenanbieter nur selten Informationen darüber hinaus, wie sie zu ihren Scoring-Methoden gekommen sind. Hier fehlt es den ESG-Datenanbieter an Transparenz. Obwohl wir die grundsätzliche Bedeutung und den Nutzen des ESG-Scoring verstehen, sind wir der Meinung, dass die Methodologien dahinter oft fehlerhaft sind.  Sie belohnen in der Regel Unternehmen, die viele Daten offenlegen, ohne wirklich zu analysieren, was sie offenlegen. Es ist also die Quantität, die vielfach einzig zählt. Das zeigt sich etwa auch daran, dass bei großen Unternehmen die Qualität der Informationen abnimmt, je tiefer man in die Daten reingeht.  Um wirklich nützliche Daten zu finden, aufgrund derer man fundierte Entscheidungen über das potenzielle Wachstum des Unternehmens unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit treffen kann, ist deshalb sehr viel mehr Arbeit nötig, als sich nur die Informationen der Datenanbieter anzusehen. Dies ist denn auch unser Ansatz: Wir nutzen das, was die ESG-Datenanbieter uns anbieten können. Aber darüber hinaus stellen wir noch unser eigenes, tiefergehendes Research an, um das Unternehmen wirklich zu verstehen.


Das Angebot an nachhaltigen Fonds wächst. Welche Möglichkeiten haben Anleger, wirklich nachhaltige Fonds von Greenwashing-Angeboten zu unterscheiden? Gibt es eine Checkliste?


In der Tat ist die Zahl der nachhaltigen Fonds geradezu explosionsartig angestiegen. Greenwashing ist in diesem Zusammenhang natürlich ein großes Thema. Vielfach wurde einfach aus Marketinggründen das Label „nachhaltig“ auf ein Produkt geklebt. Solches Trittbrettfahren ist auch deshalb ein Problem, weil es zum einen dem Ansehen der gesamten Branche schadet und zum anderen einen sehr sinnvollen und wichtigen Investmentansatz in ein schlechtes Licht rückt. Deshalb sollten Anleger sich ihr Investment sehr genau anschauen und sich für Fonds entscheiden, von denen sie glauben, dass sie nicht nur ihrem Risiko-Rendite-Profil, sondern auch ihren eigenen nachhaltigen Werten entsprechen. Eine Möglichkeit besteht darin, tatsächlich zu überprüfen, welche Unternehmen im Portfolio sind. Passen die ausgewählten Aktien denn wirklich zum Nachhaltigkeitsanspruch des Fonds? Ein anderer Ansatz ist es, sich die das ESG-Verständnis oder die ESG-Definition anzusehen, die hinter dem Fonds stehen. Da muss sich der Anleger dann fragen: Ist das auch mein Ansatz? Eine Beispielfrage, die das recht plastisch illustriert, wäre etwa: Investiert der Fonds in Tabak- oder Alkoholunternehmen? Wenn ja, ist das für mich in Ordnung oder nicht? Wenn man so mit weiteren Fragen an das Investment herangeht, kann man recht schnell die Spreu vom Weizen trennen.


Welche Ansätze gibt es, das Comittment des Fondsmanagers zu ESG-Anlagen zu überprüfen? Sehen Sie die Gefahr, dass Fondsmanager Nachhaltigkeit bedienen müssen, weil Kunden es nachfragen, selber vom Ansatz aber nicht überzeugt sind?


Meiner Ansicht nach gibt es drei verschiedene Möglichkeiten, wie man das ESG-Commitment eines Fondsmanagers messen kann. Erstens: Hat das Unternehmen, also der Vermögensverwalter die von den Vereinten Nationen unterstützten Prinzipien für verantwortungsbewusstes Investment (PRI) unterzeichnet? Dies würde das langfristige Commitment des Vermögensverwalters zur Integration von ESG zeigen. Im Laufe der Jahre sind die PRI sehr viel strenger geworden, auch um sicherzustellen, dass Vermögensverwalter ESG wirklich integrieren und ESG nicht nur als Feigenblatt benutzen – Stichwort Greenwashing. So müssen Vermögensverwalter in mindestens 50 % ihres verwalteten Vermögens ESG-Kriterien integrieren. Wenn sie das nicht tun, können sie von der Liste der PRI-Unterzeichner gestrichen werden. Zweitens: Geht der Vermögensverwalter noch einen Schritt weiter und engagiert sich konkret bei ESG-Themen mit Unternehmen, geht er also konkret in die Diskussion? Vermögensverwalter, die dies tun, zeigen, dass Ihnen der Themenkomplex wirklich am Herzen liegt. Und drittens: Nutzen Sie Ihr Stimmrechte, um ESG-Themen voranzubringen, gibt es eine Proxy-Voting-Policy?


Hilft es, wenn Anleger vor einem Investment die gesamte Portfolioliste analysieren, um die Ernsthaftigkeit der ESG-Ausrichtung eines Fonds bzw. dessen Managers einschätzen zu können?


Meiner Meinung nach könnten Sie die grundsätzliche Philosophie des Managers bereits aus seinen Top-Holdings herauslesen. Sie sind quasi eine Art "Fenster", wie er seine ESG-Unternehmen in seinem Fonds auswählt.  Zudem müssten Portfoliomanager meist begründen, wie ihre Top-Beteiligungen den ESG-bedingungen ihres Fonds entsprechen.


Ein Problem besteht darin, dass der Begriff Nachhaltigkeit sehr unterschiedlich definiert wird. Kann die geplante EU-Taxonomie für mehr Klarheit sorgen, was muss eine solche Taxonomie leisten?


Ich glaube, dass die Taxonomie Investoren und Unternehmen helfen wird, auch weil die eine gewisse Sicherheit schafft,  indem sie versucht, grüne Definition zu setzen oder zu standardisieren. Die TEG (Technical Expert Group) hatte im März ihre finalen Empfehlungen der Taxonomie an die EU herausgegeben. In Zukunft wird von großen Unternehmen und Finanzmarktteilnehmern verlangt, offenzulegen, inwieweit sie sich an der Taxonomie orientieren. Finanzmarktteilnehmer, die in der EU Finanzprodukte anbieten, die nachhaltige Investitionen zum Ziel haben und/oder die ökologischen oder sozialen Aspekte der Investitionen fördern, müssen ebenfalls offenlegen, inwieweit sie sich an der Taxonomie orientieren. Alleine dadurch wird der Markt transparenter und offener werden.


Offene Frage zum Schluss: Was möchten Sie Investoren zum Thema noch mit auf den Weg geben?


Der ESG-Markt ist in den letzten Jahren sehr stark gewachsen. Nachhaltige Investitionen haben einer Studie der Global Sustainable Investment Alliance GSIA inzwischen ein Volumen von fast 31 Billionen Dollar erreicht. Ich gehe davon aus, dass diese Summe in den kommenden Jahren weiter wachsen wird. ESG ist kein vorübergehender Trend, sondern eine fundamentale und wichtige Entwicklung. So haben wir auch in den letzten Monaten eine starke Nachfrage sowohl von privaten als auch institutionellen Kunden nach ESG-Investitionen/Produkten festgestellt. Und deshalb unterstütze ich auch, dass ESG von Regulierungsseite verstärkt beobachtet wird. Das hilft den Anlegern sicherzustellen, dass die Vermögensverwalter ihre Produkte nicht "grün waschen". Behörden und Anleger fordern mehr Transparenz - und das ist auch gut so.


 


Vielen Dank für die Beantwortung unserer Fragen!